Von Kinderkassetten und Höhlenmalereien
Natalie Ediger, 3. September 2015· Marketing
Ein kleines Experiment
Heute wollen wir mit Ihnen ein kleines Experiment durchführen. Keine Angst, es dauert nicht lange.
Lesen Sie doch kurz den folgenden Abschnitt durch:
„Ein hauptsächlich aus Eisen, Sauerstoff, Silizium und Magnesium bestehender Körper dreht sich um die eigene Achse, wodurch nach annähernd 120 Sekunden eine mit 3,846 x 1026 Watt Leuchtkraft scheinende, 1.4 Millionen Kilometer grosse Kugel aus Wasserstoff und Helium hinter mehreren hunderttausend Tonnen magmatischem Tiefengestein sichtbar wird.“
Vielleicht haben Sie bereits verstanden, was dieser technische, mit Fakten vollgestopfte Text eigentlich sagen will. Trotzdem wollen wir das Ganze kurz umformulieren:
„Die wärmende Morgensonne geht hinter den Bergen auf.“
Was uns dieses Beispiel zeigen soll? Ganz einfach: Fakten sind gut und recht, sich darunter etwas vorzustellen und sie sich zu merken, fällt aber schwer… Bei simplen Geschichten jedoch ist es umso leichter. Sie sind verständlich und können Kerninhalte besser weitergeben als eine Auflistung von Daten und Fakten.
Das ist die eigentliche Essenz von Storytelling.
Was nützt Ihnen das?
Eventuell fragen Sie sich nun, was diese Erkenntnis bringen soll. Nun, egal, ob Sie eine eigene Firma besitzen, im PR-Bereich oder in der Werbung arbeiten, eine Präsentation halten müssen oder einfach nur eine geniale Geschäftsidee haben: Sie wollen, dass man Ihnen zuhört. Es gibt doch nichts Frustrierenderes, als wenn man sich für seine Arbeit voll und ganz verausgabt und dann kaum auf Gehör stösst. Oder sogar missverstanden wird.
Um zu sehen, wie man dieses Dilemma vermeiden kann, unternehmen wir heute eine Zeitreise! Keine Sorge, zuerst machen wir nur einen kleinen Sprung zurück…
Die Magie von Erzähltem
Und zwar in die unbekümmerte Zeit Ihrer Kindheit. Können Sie sich daran erinnern, wie Ihnen als Kind vorgelesen wurde? Bestimmt haben Sie auch Kassetten oder CDs mit den Abenteuern Ihrer Lieblingshelden gehört: Jim Knopf, Pumuckl, Rössli Hü, die vier Fragezeichen und was es sonst noch so gab. Und wahrscheinlich konnten Sie nie genug von diesen Storys bekommen, haben einige sogar komplett auswendig gelernt und ihre Eltern mit der wortgenauen Wiedergabe schockiert – und vielleicht auch genervt.
Warum ist das so? Warum haben uns diese Abenteuer während unserer Kindheit so dermassen fasziniert?
Und die spannendste Frage: Warum konnten wir uns diese Erzählungen so genau merken?
Geschichten sind spannend, lustig, aufwühlend, traurig. Sie berühren uns. Auf die eine oder die andere Weise. Sie lassen uns träumen und wecken Emotionen. Und das gilt nicht nur für Kinder – auch Erwachsene können sich dieser ganz speziellen Magie nicht entziehen. Geschichten merken wir uns zudem viel besser als Fakten – eine interessante Tatsache, insbesondere auch für PR und Marketing!
Doch bevor wir weiter in diese Materie vorstossen, setzen wir unsere Zeitreise fort.
Die älteste Geschichte der Welt
Jetzt wagen wir uns ein wenig weiter zurück. Denn wir wollen uns etwas Spezielles ansehen: die erste Geschichte der Welt!
Das ist – nach heutigem Wissensstand – die Rote Scheibe von El Castillo. Eine Höhlenzeichnung, mehr als 40’800 Jahre alt. Damit ist sie sogar älter als alle bis anhin gefundenen Venusstatuetten. Die Zeichnung hatte – so vermutet man – entweder einen religiösen Zweck, oder sie ist eine künstlerische Interpretation; und damit die älteste Geschichte der Welt.
Falls die Rote Scheibe tatsächlich ist, was man vermutet, dann ist eines bewiesen: Geschichten-Erzählen steckt seit zehntausenden von Jahren in unserem Blut. Und das dürfen wir nicht ignorieren, vor allem im Hinblick auf folgende Tatsache:
Geschichten waren das erste und sind heute noch das beste Mittel, um unseren Mitmenschen Inhalte zu vermitteln.
“Von Kinderkassetten und Höhlenmalereien” ist der erste Teil unserer Storytelling-Reihe. Den zweiten Teil lesen Sie hier: Geschichten sind kein Kinderkram