Die Definition von Kommunikation im Jahr 2019
Natalie Ediger, 20. September 2019· Erklärvideos
Was ist Kommunikation 2019? Der Versuch einer Definition
Im Wirtschaftslexikon von Gabler liest man zwei verschiedene Begriffserklärungen für den Begriff Kommunikation. Einerseits bezieht sich die Definition auf die Kommunikationswissenschaften und andererseits wird der Begriff im ökonomischen Zusammenhang mit Bezug auf Organisationen völlig anders definiert.
Kurz heruntergebrochen wird der Begriff wissenschaftlich als Prozess der Nachrichtenübertragung sowie mit dem Austausch von Informationen definiert und fasst Gestik, Mimik und Sprache zusammen. Bei der Betrachtung aus ökonomischer Sicht dreht es sich um hingegen um die Organisationsstruktur und es wird von ein- und wechselseitiger Kommunikation gesprochen bzw. zwischen der Art der organisatorischen Eingliederung differenziert.
Diese Unterscheidung zwischen klassischer Kommunikation im Alltag und der Kommunikation in Organisationen ist gängig. Doch ist sie auch im Jahr 2019 noch tragbar? Was ist Kommunikation heute und wie hat sie unser Mindset, unseren Alltag und unsere Dialoge und Empfänglichkeit für Botschaften verändert?
Die Bedeutung von verbaler und nonverbaler Kommunikation für den Menschen
Wir kommunizieren ständig. Auch wenn wir unter Mitmenschen bewusst nicht kommunizieren und zu Boden starren, kommunizieren wir eben genau das: dass wir nicht kommunizieren möchten. Entgegen der gesprochenen oder geschriebenen Sprache (verbaler Kommunikation) gibt es eben auch die nonverbale Ebene, die sich aus Gestik, Mimik und Körpersprache zusammensetzt. Dabei spielt gerade die nonverbale Kommunikation im Sozialverhalten den Menschen eine entscheidende Rolle. Deutlich tritt dies auch zu Tage, wenn man sich Körpersprache, Gestik und Mimik unterschiedlicher Kulturen anschaut.
Auch der berühmte Psychologe Prof. Dr. Friedemann Schulz von Thun zeigt in seinem Modell, dass Kommunikation nicht nur auf verbale und nonverbale Aspekte heruntergebrochen werden kann, sondern auch zwischen der sachlich-rationalen sowie der emotionalen Ebene zu unterscheiden ist. Die Grenze dieser Unterscheidung verläuft aber keineswegs entlang der gleichen Grenze wie die verbale und nonverbale Kommunikation. Vielmehr ist Schulz von Thun zu der Erkenntnis gelangt, dass jede Art von Kommunikation sowohl auf der sachlichen als auch der emotionalen Ebene geführt wird. Hierbei spielen komplexe Rollenverteilungen, Beziehungen zueinander sowie die Inhalte gleichermassen eine grosse Rolle. Schulz von Thun beschreibt diesen Umstand mit seinem berühmten „Vier-Ohren-Modell“. Hierbei unterscheidet er zwischen vier Ebenen der Kommunikation:
Sachinhalt (Worüber wird gesprochen?)
Selbstoffenbarung (Was sagt das Gesprochene über den Sprecher aus?)
Beziehung (Wie ist die Beziehung zwischen Sprecher und Empfänger?)
Appell (Was ist der Sinn und Zweck, der mit dem Gesagten erreicht werden soll?)
Angewendet wird das Modell in erster Linie zu Diagnosezwecken, wenn es zu Konflikten oder Störungen bei der Kommunikation kommt. Man kann sich aber auch die Frage stellen, was es bedeutet, wenn alle vier Ebenen auf wenige Kanäle reduziert werden. Denn durch unsere modernen Kommunikationsformen findet eine Kanalreduktion statt. Die Kommunikationsebenen selbst lassen sich aber nicht reduzieren.
„Kanäle lassen sich reduzieren, die Kommunikationsebenen aber nicht.“
Viele Kommunikationsebenen in reduzierten Kanälen – wie passt das zusammen?
Verbindet man die oben genannten Erkenntnisse und überträgt sie auf unser modernes Zeitalter, erkennt man schnell den Effekt, der durch die Kanalreduktion eintritt: Bricht man die Kommunikation lediglich auf die verbale Ebene herunter, geht ein wesentlicher Teil der sozialen Komponente verloren und der Spielraum für Interpretationen und Missverständnisse nimmt zu, da die Lücken in Kommunikationsebenen, die sonst mit nonverbalen Elementen gefüllt würden, ausschliesslich über die verbale Kommunikation geschlossen werden müssen; bewusst oder unbewusst.
Da drängt sich schnell die Frage auf, wie sozial soziale Medien eigentlich sein können, wenn ein Grossteil der Kommunikation lediglich verbal stattfindet; Und was bedeutet dies für die Unternehmenskommunikation? Die Vermittlung von Inhalten über neue Messenger Tools, Mitarbeiter-Apps, E-Mails, Blogs, Intranet & Co. zu verbreiten, gehört zu den Kernelementen vieler neuer Konzepte in der Unternehmenskommunikation. Sie bauen häufig darauf auf, Informationen schneller, effizienter und direkter – aber überwiegend in schriftlicher Form – verteilen zu können. Selbst bei Weisungen und dem Gedankenaustausch wird bewusst und gezielt auf nonverbale Aspekte der Kommunikation verzichtet. Doch sind moderne Kommunikationsformen damit automatisch weniger sozial? Oder hat sich die Kommunikation in Zeiten von Emojis und Sprachnachrichten einfach nur so verändert, dass man den Kommunikationsbegriff neu definieren muss?
Neue Kommunikationskanäle und deren Auswirkung auf die Gesellschaft
Um sich Frage anzunähern, was Kommunikation im Jahr 2019 ist und wie man sie definieren kann, muss man sich zunächst anschauen, ob und wie die Art unserer Kommunikation die Gesellschaft verändert hat.
Kommunikation bedeutet per Definition stets auch Dialog, denn es gibt immer mindestens einen Sender und einen Empfänger. Bereits Aristoteles erkannte, dass die Kunst der Rhetorik die Überzeugung, nicht aber das Überreden oder das Aufdrücken der eigenen Meinung ist. Auch in der Schule haben viele – sofern Rhetorik noch gelehrt wurde – sicherlich vom rhetorischen Dreieck von Ethos, Pathos und Logos gelernt. Hierbei geht es in erster Linie darum, Glaubwürdigkeit (Ethos), Emotionen (Pathos) und Argumentation (Logos) ins Gleichgewicht zu bringen und auf Augenhöhe mit den Zuhörern zu kommunizieren. Die Basis hierfür ist die Beziehungsebene. Werden alle drei Bereiche bei der Vermittlung von Informationen, Erkenntnissen und Wissen gleichermassen über die Beziehungsebene angesprochen, kommt das Gesagte nicht nur besser beim Zuhörer an, sondern es trägt auch zur Authentizität, Anerkenntnis und einem aktiven Dialog bei.
Darüber hinaus bestätigt auch das berühmte Eisberg-Modell von Sigmund Freud, dass mit rund 20% nur ein kleiner Teil der Botschaft einer Kommunikation direkt wahrnehmbar ist. Hierbei handelt es sich um die reinen Informationen in der Sachebene. Die übrigen Informationen der Beziehungsebene (80%) bleiben im Verborgenen, beeinflussen den Inhalt einer Botschaft aber entscheidend mit.
Unter dieser Prämisse ergeben sich sehr deutliche Auswirkungen auf die Übertragung von Botschaften und das Kommunizieren in unserem digitalen Zeitalter. Durch die Reduzierung der Kanäle auf die reine Sachebene gehen entscheidende Elemente der Kommunikation verloren, die je nach Art der Information für die Botschaft aber noch wichtiger sind als die geschriebene bzw. gesprochene Sprache an sich.
„Durch die Kanalreduktion gehen wichtige Elemente der Kommunikation verloren.“
Welche Auswirkungen sind heute schon sichtbar?
Es gibt eine Diskrepanz zwischen dem Umfang an Kommunikationsbedarf einerseits und der Auswahl der geeigneten Kanäle andererseits. Für die Übermittlung von Sachinformationen, Daten und Fakten sind schriftliche Inhalte über indirekte Kommunikation sicherlich deutlich besser geeignet als der direkte Dialog, denn dank moderner Tools sind Inhalte immer wieder abrufbar, werden gespeichert und Wissen lässt sich sammeln.
Der Kommunikationsbedarf nimmt stetig zu. Agile Teams, mannigfaltige Interessen, soziale Medien und komplexere Aufgabenstellungen in Unternehmen machen eine intensivere Kommunikation erforderlich, als es noch vor einigen Jahren der Fall war. Hier helfen digitale Tools, den Kommunikationsbedarf zu decken, ohne den ganzen Tag damit verbringen zu müssen, von einer Person zur nächsten gehen und den Dialog suchen zu müssen. Diese Veränderung in der Art der Kommunikation und der Art der Kommunikationskanäle hat aber gleichzeitig dazu geführt, dass sich das Mindset der Menschen verändert. Dies zeigen sowohl Marktanalysen als auch Erhebungen zu der Veränderung der Lebenseinstellungen über die letzten Generationen.
Durch die Zunahme an Informationen, die auf uns einprasseln entsteht eine Reizüberflutung, die in gewisser Hinsicht zu einer Abnahme der Aufnahmefähigkeit für bestimmte Informationen resultiert. Unser persönlicher Filter, der neue Informationen innerhalb von Sekundenbruchteilen bewertet und entweder speichert oder verwirft, hat deutlich an Bedeutung gewonnen. Es ist eine klare Tendenz zu erkennen, dass wir gegenüber emotionalen Ansprachen, audiovisuellen Inhalten und Videos deutlich empfänglicher geworden sind, als es noch vor einigen Jahren der Fall war. Deutlich wird dies beispielsweise an Studien, die eine enorme Steigerung der Conversion-Rate um bis zu 86% bescheinigen, sobald Webseiten auf ihrer Startseite mit Videos anstatt mit Bildern und Texten arbeiten.
Wir lechzen praktisch nach Emotionen, die in der Alltagskommunikation durch die genannten Veränderungen unterrepräsentiert sind. Durch den grossen Zuwachs an Kommunikation über die Sachebene haben persönliche Gespräche deutlich an Bedeutung gewonnen und auch eine ausgewogenere Work-Life-Balance ist für die meisten Menschen immer wichtiger geworden, denn im Arbeitsalltag geht ein Stück der sozialen Komponente durch die Abnahme der Beziehungsebene in den Dialogen verloren.
„…wir lechzen nach Emotionen“
Bedeutung für die Verbesserung der Kommunikation in Unternehmen
Aus Unternehmenssicht lassen sich aus diesen Erkenntnissen eine Reihe von Empfehlungen ableiten. So sind direkte Ansprachen auf emotionaler Ebene für das Wohlbefinden und die Ausgewogenheit in der Unternehmenskommunikation immer wichtiger geworden. Führungskräfte, die ausschliesslich über E-Mails, Social Media und andere digitale Medien arbeiten, werden es zunehmend schwerer haben, Mitarbeiter überhaupt zu erreichen.
Kommunikation auf Augenhöhe ist hier das Stichwort. Es ist sicherlich keine gute Idee, die Zahl an digitalen Tools zur Unternehmenskommunikation stetig zu erweitern und direkte Gespräche herunterzuschrauben. So gut die technologische Entwicklung dabei helfen kann, Informationen und Wissen besser zu speichern, so wichtig ist es auch, den Verlust der Beziehungsebene wann immer es geht ausgleichen zu können und die Kommunikationskanäle sorgfältig abzuwägen. Andernfalls lässt sich die Motivation im Team nicht hoch halten, die einzelnen Mitglieder der Organisation brauchen zunehmend sozialen Ausgleich und eine ausgeprägte Dialog-Kultur lässt sich nicht etablieren. Diese ist für die Innovationskraft eines Unternehmens aber von entscheidender Bedeutung.
Für die externe Kommunikation bedeutet es, zunehmend auf emotionale Ansprachen zu setzen und eine Unternehmenskultur bzw. ein Leitbild zu etablieren, das bei der Zielgruppe ankommt. Gehört wird nur, wer die Bedürfnisse der Zielgruppe kennt und diese gezielt anzusprechen vermag. Videobotschaften, Erklärungsvideo, Storytelling und Visual Content im Allgemeinen ist das Zauberwort in einer Welt, bei der eine echte emotionale Beziehung zu einer Seltenheit geworden ist.
„…Visual Content ist das Zauberwort.“
Bedeutung für die zwischenmenschliche Kommunikation
Auch wenn die digitale Welt teilweise anderes vermuten lässt: Der Mensch ist und bleibt ein soziales Wesen und die direkte Kommunikation auf Augenhöhe hat nicht an Bedeutung verloren. Im Gegenteil – durch die Zunahme an Kommunikation im Allgemeinen bei gleichzeitiger Reduzierung der Kanäle, einer Zunahme der Kommunikation auf der Sachebene und einem Mangel an der emotionalen Ebene hat die Bedeutung der direkten Kommunikation sogar deutlich zugenommen.
Zwar bieten Emojis, Sprachnachrichten, Likes & Co. eine Kompensation bis zu einem gewissen Grad, dies ändert aber nichts daran, dass auch ein Influencer mit Tausenden Freunden, Followern oder Fans emotional bzw. sozial vereinsamen kann. Die Gefahr dessen ist über die letzten Jahre mutmasslich sogar grösser geworden. Trotz neuer Möglichkeiten, auch digital Kommunizieren, Nachrichten auszutauschen und uns verabreden zu können, sollten wir uns stets vor Augen führen, dass Kommunikation deutlich mehr ist als geschriebene oder per Sprachnachricht übermittelte Worte.
„Direkte Kommunikation hat an Bedeutung gewonnen.“
Zusammenfassung und Erkenntnisse
Unsere Kommunikation hat sich verändert und mit ihr auch wir. Informationen werden anders wahrgenommen, direkte Gespräche haben an Bedeutung gewonnen und wir müssen anerkennen, dass schnelle, direkte und andauernde Kommunikation über digitale Medien nicht nur Vorteile mit sich bringt.
Um dies zu verstehen, muss man sich nur eines vor Augen halten: Der Gebrauch neuer Kommunikationsformen führt nur zu einem gewissen Teil zu mehr Kommunikation. Ein Grossteil führt auch dazu, dass andere Kommunikationsformen verdrängt werden. Dies wiederum führt dazu, dass Gespräche zunehmend auf der Sachebene geführt werden, wodurch sich ein emotionales Verlangen nach der Gefühlsebene ergibt. Haben sich die Kanäle unserer Kommunikation verschoben? Ja, eindeutig. Haben sich die Kommunikationsebenen der Kommunikationsmodelle verschoben? Nein! Nach wie vor spielt die emotionale Ebene eine grosse Rolle. Beziehungen, Dialoge auf Augenhöhe und Authentizität haben in Zeiten von Facebook, Whatsapp, Youtube & Co. an Bedeutung gewonnen. Wir sind empfänglicher für emotionale, authentische und visuelle Reize geworden, was an der Reizüberflutung sachbezogener Inhalte im Alltag und in der Unternehmenskommunikation zurückzuführen ist.
Diese Erkenntnis ist für den Berufsalltag, für Führungskräfte und Teams ebenso wichtig wie für unsere Kommunikation im Privatleben. Veränderte Bedingungen führen zu veränderten Erwartungen und Anforderungen. Kommunikation darf daher auch in modernen Zeiten des schriftlichen Austauschs keinesfalls als reine Übertragung von Wissen und Informationen verstanden werden. Vielmehr sollten wir uns verstärkt der Aspekte sozialer und verbaler Kommunikation auf der Beziehungsebene besinnen und diese aktiv in unseren Alltag, in das Unternehmensmarketing, die Aussenwirkung, die Philosophie sowie die Kommunikationskonzepte der Unternehmenskommunikation mit einfliessen lassen.
Zur Definition des Kommunikationsbegriffs gehört daher unweigerlich auch das Verständnis dafür, was einen gelungenen Dialog ausmacht.
Kommunikation ist verbaler und nonverbaler Austausch zwischen Menschen. Ein glaubwürdiger und authentischer Dialog muss so geführt werden, dass keine der Gesprächsebenen unter- oder überrepräsentiert ist. Die Auswahl geeigneter Kanäle spielt dabei eine sehr grosse Rolle.